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Usenet News

  

Wenn Kommunikation im Internet sich nur auf elektronische Mail beschränkte, wäre die ganze Sache auf die Dauer recht langweilig. Die richtige Würze kommt erst durch einen weiteren Netzdienst hinzu, die Usenet News. Sie stellen so etwas wie ein weltweites Forum Romanum dar, wo jede Netzbürgerin und jeder Netzbürger unzensiert ihre Meinung abgeben, Fragen stellen oder Information verbreiten können.

Diskussionen finden in sogenannten Newsgruppen statt, die nach Themen organisiert sind und ähnlich wie eine Wandzeitung funktionieren. Teilnehmer, die einen Beitrag leisten wollen, schreiben einen meist kurzen Text (Artikel  genannt) und speisen ihn ins Usenet ein, das ihn dann weltweit verteilt.

Die Themen der einzelnen Gruppen reichen vom Technischen über Politik bis zum puren Nonsens. Umgangston und Informationsgehalt unterscheiden sich zwischen einzelnen Gruppen teilweise dramatisch. Wenn in manchen Gruppen täglich an die hundert Artikel erscheinen, verwundert es kaum, daß aus manchen Diskussionen ein wüstes Durcheinander wird. Und es gibt Gruppen mit wesentlich höherer Beteiligung.

Die genaue Größe des Usenet kennt niemand, sie läßt sich nur schätzen. Es gibt derzeit an die 5000 Newsgruppen, in denen monatlich um die 3 Millionen Artikel erscheinen. Das Gesamtvolumen bewegt sich auf die 200 Megabytes täglich zu...

Um ansatzweise den Überblick behalten zu können, sind die Namen der Newsgruppen hierarchisch aufgebaut, so daß man schnell erkennen kann, um was es sich dabei dreht. Betrachten Sie die Gruppe comp.os.linux.announce: Sie ist Teil der Hierarchie comp, in der fast alle computer-orientierten Gruppen angesiedelt sind. Die Unterhierarchie comp.os ist für Newsgruppen da, die sich mit Betriebssystemen befassen (os ist die gängige Abkürzung für Operating System). Unsere Newsgruppe ist also eine von mehreren Gruppen für Linux-Benutzer und enthält wichtige Ankündigungen und ähnliches.

Neben den sieben großen Hierarchien comp, misc, news, rec, sci, soc und talk, in denen Englisch die Verkehrssprache ist, gibt es noch eine Reihe ``nationaler'' Hierarchien, z.B. de für den deutschsprachigen Raum, fr für Frankreich und fj für Japan.

Das Einrichten (und ganz selten auch Löschen) von Newsgruppen folgt demokratischen Spielregeln: nach einer vorgeschriebenen Diskussionsphase wird abgestimmt; stimmberechtigt ist jede Person, die am Usenet teilnimmt und in der Lage ist, eine elektronische Mail abzuschicken. Die genauen Modalitäten können sich allerdings von Hierarchie zu Hierarchie unterscheiden; im deutschen Usenet gelten beispielsweise etwas andere Regeln als in den oben erwähnten ``Big Seven.'' Daneben gibt es auch noch die alt-Hierarchie,[*] in der das Anlegen von Gruppen fast völlig unreglementiert ist; hier finden sich Nischengruppen, in der eine Handvoll Enthusiasten debattiert (die erste Linux-Gruppe hieß alt.os.linux), kontroverse Gruppen wie alt.sex.*, und nicht zuletzt Bandbreitenvernichter wie alt.binaries.pictures.*, in denen digitalisierte Bilder von mehr oder minder zweifelhaftem Wert ausgetauscht werden.

Das Usenet ist sicherlich das größte und freieste Kommunikationsmedium unseres Planeten. Solange Sie einen Zugang zum Netz haben, können Sie hier Ihre Meinung unzensiert verbreiten. Die Grenzen der Toleranz werden allein durch die anderen Netzteilnehmer gesetzt, die Beschimpfungen und Beleidigungen entsprechend erwidern. Jeder Versuch einer äußeren Einflußnahme oder Zensur wird energisch bekämpft.

Das steht nicht im Widerspruch zur Existenz sogenannter moderierter Gruppen. In solchen Gruppen können Sie nicht ohne weiteres einen Artikel posten,[*] sondern müssen ihn vorher an die Moderatorin oder den Moderator schicken, die den Artikel entweder postet oder Ihnen zurückschickt. Diese Einschränkung der Redefreiheit wird wiederum im Usenet demokratisch beschlossen; sie dient dazu, den Anteil an unsinnigen, unpassenden oder allzu provokativen Artikeln herauszufiltern. Oft werden Gruppen mit sehr kontrovers diskutierten Themen moderiert, wie soc.feminism. Daneben gibt es auch eine ganze Reihe von moderierten technischen Gruppen, z.B. comp.os.linux.announce.

Die technischen Details

Usenet ist der Oberbegriff für den Verbund aller Rechner, die News miteinander austauschen. Die Definition ist, zugegeben, etwas redundant; aber es ist bisher noch niemandem etwas besseres eingefallen (und es interessiert wohl auch niemanden, solange es funktioniert). Das Usenet ist keine Institution oder Netz im eigentlichen Sinne - es gibt keine zentrale Autorität, keine eigene Infrastruktur und kein favorisiertes Betriebssystem. Einziges Merkmal einer Usenet-Site ist eben, daß sie News transportiert.

Die einzelnen Nachrichten im Usenet werden Artikel genannt und sind sehr ähnlich wie eine Mail aufgebaut. Ein Artikel besteht aus einem Kopf (Header ), der wichtige Informationen für die Verarbeitung des Artikels enthält, und dem eigentlichen Text (dem Body ). Ein typischer Artikel  sieht so aus:

Path: flarp!zib-berlin.de!news.mathworks.com!uunet!nsu.edu!not-for-mail
From: joe.doe@cs.nsu.edu (Joe Doe)
Newsgroups: news.software.b
Subject: Posting problem
Date: 29 Feb 1995 10:12:21 -0500
Organisation: Nebraska State University
Message-ID: <3hj$km6lej@news.nsu.edu>

Hi,

I installed INN 1.4 just yesterday, and everything works fine except
for postings by local users. Whenever I post an article from tin, trn,
or nn, it vanishes into the great bit-bucket. Anybody got any idea?

Advance thanks 
Joe

Man sieht hier neben den vom Mail-System bekannten Feldern wie From: und Date: auch einige neue wie beispielsweise Newsgroups:. Diese Zeile bezeichnet die Newsgruppen, in die der Artikel gepostet wurde. Um die anderen Felder zu erklären, muß ich etwas weiter ausholen.

News werden dezentral verteilt. Wenn Sie einen Artikel schreiben und ins Netz einspeisen (im Jargon posten genannt), wird der Artikel von Ihrem Newssystem an alle interessierten Nachbar-Sites weitergegeben; die wiederum reichen ihn an ihre Nachbarn weiter, usf. Es ist einleuchtend, daß diese Methode für eine schnelle Verbreitung der Information sorgt, und gleichzeitig sehr unempfindlich gegenüber Störungen im Netz ist.[*] Andererseits muß ein System in der Lage sein, Duplikate zu vermeiden, bzw. sie auszusortieren, falls sie doch einmal auftreten. Dazu dienen die Header-Zeilen Message-ID: und Path:.

Das erste dieser beiden Felder enthält eine weltweit eindeutige Kennung des Artikels; indem sich ein System nun die IDs aller Artikel merkt, die es innerhalb der letzten n Tage bearbeitet hat, kann es Duplikate sofort aussortieren. Das Path:-Feld erfüllt einen ähnlichen Zweck; es enthält die Liste aller Systeme, die der Artikel auf dem Weg vom Absendersystem bis zu uns bereits durchlaufen hat. Damit kann das Newssystem bereits vorab einige Systeme aussortieren, an die es den Artikel nicht mehr weitergeben muß - zumindest nämlich dasjenige System, von dem es den Artikel gerade erhalten hat.

Bevor wir uns der Software-Seite des Usenet zuwenden, möchte ich noch ein paar Worte über den Transport der News verlieren. Wir haben bereits gesehen, daß Artikel von jedem System an dessen Nachbarn weitergereicht werden. Solch ein ``Datenkanal'' zwischen zwei Systemen nennt sich ein Feed . Feeds sind in der Regel bidirektional, müssen es aber nicht sein. Läßt sich beim Newsfluß zwischen zwei Systemen ein deutliches Gefälle ausmachen, spricht man auch gelegentlich von upstream und downstream .

Die wenigsten Systeme haben heute noch einen vollen Feed, d.h. mit allen erhältlichen Newsgruppen; bei einem täglichen Volumen von bald 200 Megabytes allein in den sieben großen Hierarchien ist das für die wenigsten noch verkraftbar. Stattdessen beschränken sie sich auf diejenigen Gruppen oder Hierarchien, die für sie oder die von ihnen abhängigen Systeme interessant sind.

Je nach Art des zugrundeliegenden Netzes werden News auf verschiedene Arten transportiert. In UUCP-Netzen werden Artikel meist über den Zeitraum einer halben Stunde oder Stunde gesammelt, anschließend in große Dateien (sogenannte Batches) verpackt und komprimiert. Die Batches werden dann an das Programm rnews auf dem Nachbarsystem ausgeliefert.

Im Internet steht mit NNTP,  dem Network News Transfer Protocol, ein wesentlich flexibleres Transportprotokoll zur Verfügung. NNTP transportiert im Gegensatz zu UUCP jeden Artikel einzeln und überprüft für jeden Artikel vor der Übertragung, ob das Zielsystem ihn vielleicht schon hat. Dabei übermittelt das sendende System die Message-ID des Artikels, das Empfängersystem prüft, ob es den Artikel bereits anderweitig empfangen hat. Wenn nicht, bittet es um dessen Übertragung. Wegen der dabei benutzten Protokoll-Meldungen heißt das Verfahren auch ihave/sendme.

News-Software

Unter UNIX-Systemen gibt es traditionell zwei Kategorien von News-Software. Auf der einen Seite steht die interne Verwaltung von News, die ein- und ausgehende Artikel verwaltet, lokal auf der Platte ablegt und nach einiger Zeit wieder löscht. Hierfür existieren eine ganze Reihe von Paketen. Die bekanntesten sind C News  und INN. C News wurde von Geoff Collyer und Henry Spencer geschrieben; die erste Version stammt aus dem Jahr 1987, wurde aber ständig weiterentwickelt. Die neueste Version ist das sogenannte Cleanup Release vom September 1994. INN  steht für Internet News und wurde von Rich Salz entwickelt; die erste Version wurde 1992 veröffentlicht. Die aktuelle Version ist 1.4sec.

Auf der anderen Seite stehen die Newsreader, mit denen die Benutzer News lesen (daher der Name) und posten können. Einige Programme unterscheiden sich recht deutlich in der Bedienung, so daß sich das Probieren wirklich lohnt. Es hängt ganz von den persönlichen Vorlieben ab, welchen Newsreader jemand als ``den komfortabelsten'' bezeichnen würde.[*] Der unter Linux am häufigsten benutzte Newsreader dürfte tin von Iain Lea sein; beliebt ist aber auch nn von Kim Storm.

Während es durchaus üblich ist, mehrere Newsreader zu installieren, um unterschiedliche Geschmäcker zufriedenzustellen, können Sie nur ein Newssystem benutzen. Im Rest dieses Abschnitts werden wir uns auf das im Vergleich zu C News wesentlich flexiblere und schnellere INN konzentrieren. Es wurde für den Einsatz in einer NNTP-Umgebung optimiert, unterstützt aber auch UUCP ohne Probleme.


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Das Linux Anwenderhandbuch
(C) 1997 LunetIX